Kamelle satt, Wetter jod, Jecken gut gelaunt.

Nur ein kleiner grüner Elefant der „Jecken us d’r Altstadt“ kämpfte bis kurz vor 14.11 Uhr ums Mitfahren.
„Gott sei Dank, jetzt strahlt er wieder“, sagt Erika Dunkel und strahlt selber. Auch wieder. Eine Stunde zuvor war der Opladenerin, die praktisch die Mutter der Compagnie für die „Jecken us d’r Altstadt“ ist, das Strahlen vergangen. Da hatte ausgerechnet der handgezogene, bildhübsche Mottowagen „Ein Herz für uns Brauchtum“ einen Achsbruch. „Dat ist aber richtig Mist“, rutscht es Dunkel raus, die erstmal die vier Jahreszeitenwägelchen nebst dazugehörigen Teams zum Aufstellplatz an der oberen Kölner Straße delegiert. Seit dem Sommer hat die Mini-Karnevalsgesellschaft aus Familie und Freuden am Rosenmontags-Auftritt gearbeitet, hat die Wagen hergerichtet. Denn mit dem Achsbruch ziert ein blütenbemalter grüner Elefant, die der Jahreszeiten etwa Schafe fürs Frühjahr, ein Dukatenesel für den Sommer. Die Teams sind passend als Schäfchen, Marienkäfer, Vogelscheuche und Schneemänner verkleidet. „Wir ziehen seit fünf Jahren mit“, erzählt Erika Dunkel. Aber ein Achsbruch, das ist noch nie vorgekommen. Dunkel lässt die Männer ran an den Notfall, allen voran Walter Franz, Chefkonstrukteur der Truppe. Und das THW, dessen Akkuschrauber aber erstmal leer sind.
Zugleiter Manfred Luxem hat beim Abgehen der Zugwagen für die Pechvögel aus der Altstadt Lob parat: „Die machen sich immer sehr viel Mühe. Diesmal haben sich aber wirklich alle etwas einfallen lassen, was zum Motto passt.“ Findet auch Toni Blankerts vom Komitee Opladener Karneval (KOK), der sich das Zochmotto „Blühendes Opladen“ hatte einfallen lassen und am Rande des Zuges zwar verrät, „zum Neuen haben die Leute sicher auch viele Ideen“, aber das Motto 2018 noch nicht preisgeben will.

Vorbei an der KG „Vier tolle Häuser“, die samt Pfarrer Heinz-Peter Teller als Wetterfrösche unterwegs ist und eine drehbare Wetterfroschleiter fröhlich kreisen lässt, an zahlreichen blumigen Fußgruppen und ebensolchen Wagen – „im Zug gehen 1500 Teilnehmer mit, es waren schon mehr, aber dieses Jahr fehlen fünf Gruppen“ (Luxem) – weckt ein Wagen, ach was, ein echtes Piratenschiff, besondere Aufmerksamkeit. „Also die Imbacher lassen sich immer etwas mit politischem Bezug einfallen. Da würde was fehlen, wenn die nicht mitmachen.“ Ja. Zum Beispiel ein Klappmast mit Ausguck, den die Imbacher Dorfgemeinschaft unterwegs tatsächlich immer mal einklappen muss, um Stromleitungen und Äste zu umschiffen. „Den Wagen wollten wir letztes Jahr nutzen“, erzählt Ulrich Kramp. Da fiel der Zug wegen Sturmwarnung aus. Die Imbacher dekorierten um. Am Schiff klebt zum Beispiel ein Eine-Million-Euro Schein, „den haben wir extra für Oberbürgermeister Uwe Richrath erfunden.“ Dessen Konterfei ist denn auch auf dem Schein zu sehen. Daneben lesen sich etliche auf die Leverkusener Verkehrs- und Finanzsituation gemünzte Sprüche wie „Bülten her, dann kann Lev noch mehr“, „Tunnel, Stelze, keine Schnitte – Piraten fahren bis Leverkusen-Mitte“, „Wo nichts den Haushalt retten kann, müssen jetzt die Blüten ran“ oder „Für Opladen soll es Blüten regnen“.
Piraten gibt es gleich noch mal im Zug. Die acht „Freibeuter Leverkusen“ aus Bergisch Neukirchen, die zum ersten Mal teilnehmen, „einfach, weil es Spaß macht und wir unsere Beute unters Volk bringen wollen“, merkt Freibeuter-Chef Michael Peters lächelnd an. Apropos Spaß machen: SPD-Bundestagsabgeordneter Karl Lauterbach ist mit den „Roten Socken“ (SPD Opladen) unterwegs. „Ich bin ja Rheinländer. Als Kind war ich immer beim Zug“, plaudert Lauterbach, der „mit Rotwein ein bisschen vorgeglüht“ und sich extra eine übergroße, „bundestagsuntaugliche“ Fliege besorgt hat. Der Mann kommt gebürtig aus Düren. „Über die Jahre habe ich das vernachlässigt. Das muss sich wieder ändern.“
Ändern könnte sich auch, das wünscht sich Zugleiter Manfred Luxem, dass „nur eine Kita und eine Grundschule in Opladen teilnehmen. Früher waren es mal mehr.“
Als um 14 Uhr die Tunnel-, Brücken-, Gartenbauer und Stauberater des KOK ihre Bauhelme zurechtrücken, die Reiterstaffel der Altstadtfunken ihre zehn Zugpferde ans Geschehen heranführt und Dieter März als stellvertretender Prinzenführer auf dem Wagen von Peter III. einen letzten Blick auf Handbälle, Handtücher und tausende Pralinenschachteln und -schächtelchen wirft, herrscht an der Ecke Neustadtstraße noch Aufregung. Bei den „Jecken us d’r Altstadt“ liegen Vogelscheuche Peter, „mein Nachbar“, sagt Erika Dunkel, und Walter Franz unter dem aufgebockten Elefanten. Werkzeugvokabular fliegt durch die Luft wie später die Kamellchen. Das THW hat einen aufgeladenen Akkuschrauber besorgt. „Wir probieren’s, zieht die Kiste weg“, sagt Franz vier Minuten vor Zugbeginn. Der Wagen steht. Eine halbe Stunde später rollt der grüne Blütenelefant mit im wogenden Rosenmontags-Blumenmeer.


Quelle: Rheinische Post  Von Ludmilla Hauser